Gegen vegetarische Ernährung ist wahrhaftig nichts einzuwenden. Aber spätestens seit dem Grünen-Wahlkampf-Hit Veggie Day sollte es erlaubt sein, darüber nachzudenken, was in den Köpfen des militanten Teils der Fleischlos-Bewegung eigentlich so vorgeht. Der Lebensmittelchemiker und Publizist Udo Pollmer tut das schon lange. Hans Kantereit von Effilee hat ihn zu einem ausgewogenen Mittagessen eingeladen.
erschienen in Effilee Winter 2013/2014 S. 82-86

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HK: Herr Pollmer, wir sitzen hier fröhlich bei Tisch und Sie haben der Bedienung eben eine klare Ansage gemacht: Sollte zu Ihrem Geschnetztelten ein Salat gehören, dann bräuchte sie ihn für Sie nicht zu servieren. Gibt es da irgendwelche Berührungsängste?
UP: Nicht mit der Bedienung. Aber beim Salat kommt’s drauf an, wonach einem der Sinn steht. Nehmen wir mal den worst case: Der Gast will den Salat nicht zum Behufe der Sättigung, sondern legt Wert auf Gesundheitssymbole. Dann kriegt er Grünzeug – rein symbolisch. Sollte er wirklich Wert auf Vitamine und Ballaststoffe legen, dann wäre der Wurstsalat eine gute Wahl. Allen roten oder auch rosa Wurstsorten ist Vitamin C zugesetzt, als Umrötebeschleuniger. Der normale Kopfsalat, den die Bedienung wahrscheinlich serviert hätte, ist dagegen vitaminarm. Vitamine enthält er nur in den Nährwerttabellen. Bei Wurst und Schinken hingegen hat man den Vitamingehalt in den Tabellen nach unten manipuliert, damit der Benutzer mit eigenen Augen sieht: Grüner Salat ist toll, Wurst wertlos.
In der Tat sind aber rote Wurstsorten die wichtigsten Vitamin-C-Lieferanten und nicht etwa frische Kräuter. Bei den Ballaststoffen sieht’s ähnlich aus: Seit die Ballaststoffe als gesund gelten, werden die tierischen Ballaststoffe nicht mehr erwähnt. Offiziell sind Wurstwaren jetzt sogar frei von Ballaststoffen – früher gab’s regelmäßig Beanstandungen, weil zu viel tierische Ballaststoffe (wie Sehnen) drin waren. Das Fälschen von Nährwerttabellen...