Der Appetit und das Ende des schlechten Gewissens:
Lebensmittelchemiker Udo Pollmer im Interview.
Esst doch, was ihr wollt!
erschienen in der Mittelbadischen Presse am 05.10.2013
Ein Tag pro Woche ohne Fleisch? Im Wahlkampf sorgte die Idee der Grünen für Empörung, sie wurde belächelt und beschimpft. In Sachen Fleisch scheint der Deutsche keinen Spaß zu verstehen. Udo Pollmer vom Europäischen Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften weiß, warum. Von Victoria Hof
VH: Herr Pollmer, woher kommt eigentlich unser unbändiger Hunger auf Fleisch?
UP: Das hat einen ganz simplen Grund. Der Körper wählt sich seine Nahrung nach ihrer Wirkung aus. Er zieht Bilanz und teilt uns das Ergebnis in Form des Appetits mit.
VH: Der Appetit zeigt uns also, was wir brauchen?
UP: Er verkörpert die Lebenslust. Wenn der Körper feststellt, dass bestimmte Dinge für ihn von Vorteil sind, dann fordert er diese ein. Das Bedürfnis nach Essen und Trinken ist ein tief verankerter Trieb und Triebe sind immer mit Freude verbunden. Denn biologisch richtiges Tun wird von der Natur mit Befriedigung belohnt.
VH: Schokolade, Schnitzel, Pizza: Was uns schmeckt, ist also genau das Richtige?
UP: Ja, der Körper lässt sich auf Dauer nicht verführen, aber er fordert ein, was er braucht. Versuchen Sie mal, sich nur 48 Stunden lang ausschließlich von Schokolade oder nur von Pizza zu ernähren, das scheitert wie jede andere Diät auch..
VH: Aber warum Fleisch?
UP: Es geht ihm zunächst um die Energie, die wir zum Leben brauchen. Das ist die wichtigste Aufgabe. Dann achtet der Körper darauf, dass die Speise gut verwertbar ist – und das ist beim Brathähnchen oder der Leberwurst der Fall. Daneben sucht der Körper auch Stimmungs-Stoffe. Je weniger Tageslicht wir abbekommen, ...