aus EU.L.E.N-SPIEGEL 5-6/2009 S. 40
Jetzt treiben die Dicken nicht nur unsere Krankenkassen in die Pleite, sondern ruinieren auch noch das Klima. Das meinen jedenfalls der Statistiker Phil Edwards und der Pädiater Ian Roberts von der London School of Hygiene & Tropical Medicine mit ihrem klimatischen Sachverstand belegen zu können.
Wer dick ist, der frisst natürlich wie ein Scheunendrescher. Folglich benötigt er mehr Lebensmittel, was mehr Energie bei deren Produktion verschlingt. Außerdem verbrauchen Dicke durch ihr Zusatzgewicht mehr Treibstoff beim Autofahren und Fliegen. Da dieser Unterschied angesichts des Eigengewichts der Fahrzeuge gering ist, wird kurzerhand vorausgesetzt, dass Dicke natürlich die schwereren Schlitten fahren und eh zu faul sind, zu Fuß zu gehen. Insofern führt Übergewicht zu einer bedenklichen Zunahme des CO2-Ausstoßes...
Giga-Nonsens
Im Detail: Eine Bevölkerung von 1 Milliarde Menschen erzeugt rein rechnerisch etwa 7 Gigatonnen CO2-Äquivalent. In Großbritannien liegt der Durchschnitts-BMI bei 29, der Anteil von Adipösen bei 40%. Bei einem Durchschnitts-BMI von nur 24,5 und einem Anteil von 3,5% Adipösen (BMI über 30) könnten zwischen 0,4 und 1 Gigatonnen CO2-Äquivalent eingespart werden. Wow! Ein Siebtel CO2-Einsparung, das wird bei den Klimarettern bestimmt gut ankommen. Da wird man sich wohl bald das Abspecken gutschreiben lassen können und bedürftigen Firmen CO2-Zertifikate verkaufen. Oder man darf, wenn man 10 Kilo abnimmt, einmal mehr mit dem Flieger in den Urlaub düsen! „Wir müssen", so die Autoren, „dem Kampf gegen Übergewicht eine Schlüsselrolle zuweisen, nicht nur aus Gründen der Gesundheit, sondern auch um die Klimaveränderung aufzuhalten".
Klimakiller Leistungssport
Entgegen der landläufigen Meinung haben beleibtere Menschen aber einen geringeren Energiebedarf als schlaksige. Ihre Speckschicht verhindert das Auskühlen des Körpers, d.h. ihr Energiebedarf sinkt mit dem Blubber. Diese simple physikalische Tatsache sollte gerade den Klimaschützern einleuchten, drängen sie doch alle Welt dazu, ihre Häuser zu dämmen, um den Energieverbrauch zu senken. Wer auf Diät ist, dreht gewöhnlich die Heizung in Wohnung und Büro höher, damit er nicht friert. Dünne Zeitgenossen pflegen gewöhnlich mehr zu essen als dicke, außerdem frösteln sie leichter. Dicke haben in der Regel meist einen geringeren Bewegungsdrang. Schlanke Zeitgenossen fallen durch mehr Bewegung im Alltag, mehr sportliche Aktivitäten und auch durch „Herumzappeln" auf. Wer kennt nicht Menschen, die ständig mit den Füßen wippen, oder mit den Fingern auf den Tisch trommeln? Es heißt, dass solche Zappelphilippe täglich 300 Extra-Kalorien verbrauchen.
Auf jeden Fall kommt einiges zusammen, was den Dünnen aufs Klimakonto gebucht werden müsste. Unter diesen Gesichtspunkten müssten auch Sportgeräte, Jogginglatschen und Fitnessstudios mit einer Klimasteuer belegt werden. Ein Radprofi verbraucht schließlich mehr als 10.000 kcal am Tag.
Spiegelleser wissen mehr ...
Interessante Einblicke in die Denkart der Autoren (die sich für Epidemiologen halten) gibt deren Annahme, Beleibte führen größere und schwerere Autos. Die großen PS-starken SUVs und Limousinen mit hohem CO2-Ausstoß werden jedoch von den „oberen Zehntausend" gefahren, einer Kaste, deren Kennzeichen der Schlankheitswahn ist.
Übergewicht ist eher in den unteren sozialen Schichten verbreitet. Diese Menschen können sich oft gar kein Auto leisten und müssen - umweltpolitisch korrekt - Bus und Bahn nutzen. Gutsituierte Bürger fliegen zudem häufiger als das Fußvolk. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Wie zu erwarten, fiel diese „wissenschaftliche" Publikation bei den deutschen Medien auf fruchtbaren Boden. Der Spiegel weiß auf seiner Homepage: „Übergewicht ist nicht nur für den Körper, sondern auch für die Umwelt schädlich." Eine „schlanke Bevölkerung" führe „dazu, dass weniger schädliche Treibhausgase ausgestoßen werden". Und der Focus brachte es auf den Punkt: „Schlanke retten das Klima. Dünne Menschen sind Umweltschützer ohne eigenes Zutun." Hoffen wir, dass die Leserschaft dieser Druckerzeugnisse nicht auf die Nutzung ihrer energiefressenden Gehirne verzichtet haben...
(Edwards P, Roberts I: Population adiposity and climate change. International Journal of Epidemiology 2009; 38: 1137-1140)