Fliegen statt Fleisch: Unsere letzte Chance?
von Andrea Fock, Wolf Lengwenus, Jutta Muth und Udo Pollmer
Erschienen im EU.L.E.N-SPIEGEL 3-4/2010 S. 15-22
Die Gier nach Fleisch ruiniert bekanntlich unseren Globus. Angesichts bodenständiger Köstlichkeiten der feinen Küche wie Schnepfendreck und maccheroni piatti müsste es doch ein Leichtes sein, den westlichen Industrienationen die Vorteile der Insektenkost nahe zu bringen. Werden wir statt überzüchteten Schweineschnitzeln und klimaschädlichen Rindersteaks dann auf Heuschrecken aus Wildfängen herumkauen, handgestreichelte Palmrüssler auszuzeln und uns in der Fastenzeit an Filzläusen vom Biobauern delektieren? Selbst die Raumfahrt soll dereinst von Insekten beflügelt werden.
Allerorten wird bereits intensiv an profitablen Mastverfahren gefeilt. In Europa tut sich die Agraruniversität im holländischen Wageningen mit einem ehrgeizigen Maden-Projekt hervor.134 Zunächst soll ermittelt werden, welche Abfälle der Lebensmittelindustrie von welchem Geziefer verspeist werden – eine Zielsetzung, die einem Schädlingsbekämpfer die Schweißperlen auf die Stirn treiben könnte.
In einem weiteren Schritt soll das Eiweiß der Zuchtinsekten in bewährten Speisen teurere Rohstoffe ersetzen oder als funktionales Additiv endlich die ekligen E-Nummern von den Etiketten verschwinden lassen. Und wo bleiben Abfälle wie die Chitinpanzer? Ernährungsexperten werden bald ihren Wert als Ballaststoffe erkennen und sie Gummibärchen, Geflügelwurst und Gabelbissen untermischen.
Puppen aus Amsterdam
Auf lange Sicht geht es jedoch darum, endlich das ungesunde Fleisch durch gesundheitsfördernde Fliegen zu ersetzen. Die Forscher in Wageningen haben ausgerechnet, dass man für ein Kilo Fleisch mehr als zehn Kilo Viehfutter benötigt, während für 1 Kilo Insekten bereits 1,5 Kilo Pflanzenkost ausreichen. Nur so könne die drohende Ernährungskrise gemeistert werden, erklärte der Leiter des Programms, Arnold van Huis. Außerdem würden Kerbtiere viel weniger Treibhausgase ausscheiden – vermutlich weil sie ja viel kleiner als Kühe sind. Auch wenn diese Zahlen ein schiefes Bild ergeben, so werden sie über die Medien allmählich zum Allgemeingut.132
In das Forschungsprojekt in Wageningen wurde die Vereinigung der holländischen Insektenzüchter eingebunden. Bisher beliefern sie vorwiegend Zoohandlungen oder Anglerläden mit Lebendvieh. Mit diesem Projekt versucht die niederländische Landwirtschaftsministerin Gerda Verburg die in die Kritik geratene Agrarwirtschaft auf eine nachhaltige Produktion einzustellen, denn bekanntlich müssen die holländischen Schweinemäster ihre überschüssige Gülle nach Deutschland exportieren und Umweltschützer beklagen die Ammoniakemissionen der Legebatterien.
Doch Kerfe sind keine Alternative, denn auch Kleinvieh „muss mal“. Seine Ausscheidungen sind um nichts umweltfreundlicher als der Inhalt einer Güllegrube. Gefräßige Insekten wie Heuschrecken, die schnell wachsen, erzeugen riesige Mengen Kot, die aus den Brutanlagen regelmäßig entfernt werden müssen. Fliegenmaden beispielsweise scheiden jede Menge klimaschädlichen Ammoniak aus. Etwas günstiger wäre die Kakerlakenmast, denn sie geben keinen Ammoniak ab, sondern wasserunlösliche Harnsäure.
So beugen die Tiere Wasserverlusten vor, denn die Harnsäure muss nicht in Flüssigkeit gelöst werden, um sie auszuscheiden. Dank solcher Tricks vermögen Schaben noch die unwirtlichsten Winkel zu erobern, aber das ist man sich als ausgemachtem Plagegeist ja auch schuldig. Zudem reichern Kakerlaken dieses Stoffwechselendprodukt auch in ihrem Körper an. Ob das allerdings bei den Kunden Begeisterungsstürme auslöst, sei dahingestellt. ...
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