Im aktuellen Wahlkampf fordern grüne Politiker einen "Vegetarischen Tag" einzuführen.
Mal abgesehen von der politisch äußerst bedenklichen Unart, uns vorzuschreiben, was wir an welchem Tag essen dürfen - wie sinnvoll ist Vegetarismus eigentlich? Schont er tatsächlich unsere Agrarflächen und unser Klima? Wird dadurch die Lebensmittelversorgung der Welt verbessert?
Dazu ein Auszug aus dem EU.L.E.N-SPIEGEL "Vegetarier & Tierrechtler":
Vegetarische Legende Nr. 3:
Die Produktion von Futter blockiert zwei Drittel der Agrarfläche
Von den weltweit knapp 5 Milliarden Hektar Agrarland werden tatsächlich nur 1,4 Milliarden beackert.10 3,4 Milliarden Hektar – also sogar mehr als zwei Drittel – dienen ausschließlich der Produktion tierischer Lebensmittel. Was für eine Verschwendung! Doch genau das ist ein gefährlicher Irrtum in Sachen Ökologie. Denn diese 3,4 Milliarden Hektar sind überwiegend Dauerweideland - meist in trockenen oder kalten Regionen.12 Dieses Land eignet sich nicht für den Ackerbau.
Wenn man die Steppen und die kühlen Regionen der Erde besiedeln will, dann geht das nur mit Weidewirtschaft – nicht nur im Allgäu, auch in der Prärie, dem Outback, der Pampa oder in Kasachstan. Egal wo, die Flächen, die zur Erzeugung von Rindfleisch dienen, sind global betrachtet überwiegend Landstriche, auf denen seit jeher nur Gras wächst - und nicht der allseits beschworene brandgerodete Urwald.
Die Rinder züchten im Pansen allerlei Mikroben, und diese verdauen mit Vergnügen Gras, Stroh und andere für uns unverdauliche Rohstoffe. Diese Mikroben wiederum ...
...verdaut das Rind. Es lebt vom Eiweiß der Bakterien.11 Das ist der tiefere Grund für die Haltung von Rindern. Der Mensch hat keinen Pansen, und deshalb isst er lieber Steaks, Wurst oder Käse. Die Vorstellung, es käme durch die „Umwandlung von pflanzlichem Futter in tierische Produkte" grundsätzlich zu Verlusten, ist ein Zeichen ungebührlicher ökologischer Ignoranz.
Auch in Deutschland werden zwei Drittel der Fläche für die tierische Produktion genutzt. Bei uns sind jedoch nur rund ein Drittel Wiese und Weide (28% Dauergrünland und 4% Wechselgrünland – Wiesen im Wechsel mit Ackerland).13 Im obersten Allgäu ist Ackerbau unmöglich, Getreide und erst recht Gemüse gedeihen anderswo besser - daher die Milchwirtschaft. Hier wird keine Agrarfläche zur Fleischerzeugung „missbraucht", hier wird sie ökologisch optimal genutzt. Noch dazu sieht sie schön aus und ist artenreicher, als ein reiner Bergwald.
Damit bleibt allerdings noch ein Drittel der Agrarfläche in Deutschland, die zur Erzeugung von Futter dient, obwohl sie kein Grünland ist. Auf diesen Äckern werden zu allem Überfluss auch noch Getreide angebaut, ebenso Mais, Hülsenfrüchte und Futterrüben für die Tiere. Das führt zum Folgevorwurf, der Legende Nr. 4:
Vegetarische Legende Nr. 4:
Es ist pure Verschwendung, wenn 60 % des Getreides im Futtertrog enden
Von der deutschen Getreideernte werden in der Tat gut 60 Prozent verfüttert, der kleinere Teil wird zu Brot und Kuchen verarbeitet, zu Spätzle und Pizza, zu Bier und Korn. Ist es wirklich nötig, knapp zwei Drittel allen Getreides in die Futtertröge zu geben? Ein Landwirt oder Müller würde vermutlich reflexartig die Gegenfrage stellen: Ja, wohin denn sonst? Denn der Großteil unserer Getreideernte ist normalerweise gar nicht für die menschliche Ernährung geeignet. Viele Böden liefern Korn von so bescheidener Backqualität, dass die Mühlen es nicht zu Mehl oder Grieß verarbeiten wollen. Deshalb wird viel Weizen von vornherein als Futtermittel oder Biotreibstoff angebaut, dafür aber mit höheren Hektarerträgen als Brotweizen.
In Jahren mit ungünstiger Witterung leidet die Backqualität des Weizens, so dass nur noch der Futtertrog bleibt. Während der schweren Fröste im Februar 2012 erfror sehr viel Einsaat mit Brotweizen. Um noch etwas ernten zu können, wurden die Felder im Frühjahr mit Futter-Sommergerste bestellt. Meist wird sie nach Weizen ausgesät, um im Erdreich die Schadorganismen des Weizens wie Pilze oder Viren zu dezimieren.14 Wintergerste fördert die Bodengesundheit und liefert gutes Futter – zum Brauen von Bier oder gar für den menschlichen Verzehr ist sie kaum geeignet. Ihr Anbau sichert aber die Erzeugung von Brotgetreide. Selbst eine spezialisierte Landwirtschaft muss in Kreisläufen denken – wenn auch in überbetrieblichen. Die Erzeugung von Futter folgt den ökologischen Erfordernissen unserer Breiten.
Selbst vom besten Brotweizen landet auch in Jahren mit freundlicher Witterung ein Teil jeden Korns im Futtertrog (Kleie, dunkle Mehle). Dazu kommt stets ein Anteil an Bruchkorn und Schmachtkorn, das zusammen mindestens 20 Prozent jeder Ernte ausmacht.
Die Mühlen müssen bei den heutigen Qualitätsanforderungen sogar rund 10 Prozent Weizen importieren, weil die nötigen „Aufmischweizen" im hiesigen Klima nicht gedeihen. Beim Hartweizen, den man für die beliebten Pastagerichte benötigt wird fast der gesamte Bedarf importiert. (Verbrauch: 9,2 Kilo pro Kopf und Jahr).15 Die pappigen Nudeln aus heimischen Weizen werden inzwischen selbst von den Kunden der Discounter verschmäht.
Literatur
10. Food and Agriculture Organization of the United Nations: FAOSTAT. http://faostat3.fao.org/home/index.html
11. United Nations Environment Programme: Global Environmental Outlook 4. Malta 2007
12. Wittkowski G, Averdunk G: Grundlagen der Fütterung. In: Wagner K, Hüffmeier H: Die Landwirtschaft:Tierische Erzeugung 1999; 2: 25-76
13. Statistisches Bundesamt: Bodennutzung der Betriebe einschließlich Zwischenfruchtanbau. Landwirtschaftszählung / Agrarstrukturerhebung 2010. Fachserie 3 Reihe 2.1.2; Wiesbaden 2011
14. Wintergalen R, Arnold G: Wie entwickelt sich der Wintergerstenanbau? Innovation 1999; H.3: 10-11
15. Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Hrsg): Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der Bundesrepublik Deutschland 2011. Landwirtschaftsverlag Münster-Hiltrup, Münster 2011