aus EU.L.E.N-SPIEGEL 1/2011 S. 28
Nüsse sind sättigend und relativ teuer. Ersteres ist ein guter Grund für Ernährungsberater, vor Fett und Kalorien zu warnen, letzteres ein ebenso guter Anlass für die Nusswirtschaft, mal in die Tasche zu greifen und den eigenen Erzeugnissen aus berufenem Mietmunde einen herausragenden Gesundheitswert bescheinigen zu lassen. Im Grunde bedarf es ja nur der branchenüblichen Unbekümmertheit in Sachen Physiologie, und schon wird jedes Erzeugnis, angefangen vom Pflasterstein (wertvolle Mineralien, kalorienarm) bis zum Hundehäufchen (fettarm, ballaststoffreich) zum ernährungstechnischen Wunderwerk im Sinne von AOK und DGE.
Bei Nüssen handelt es sich zweifelsfrei um Obst (Sie wissen schon: „5 am Tag“), sie werden roh verzehrt (Frischkost) und enthalten massenhaft ausgesuchte Vitamine – so wie so ziemlich alles andere auch, man denke an Tollkirschen und Hühnermist. Aber wohin mit dem vielen Fett? Cashewnüsse bestehen zur Hälfte aus Öl und Pistazien zu drei Viertel. Wie winden sich die ErnährungsberaterInnen da bloß raus? Ganz einfach. Sie förderten ein „gutes“ Fettsäure- Profil der knackigen Kerlchen zutage: Neben Omega-3- Fettsäuren, bekannt aus Algen, Fisch und Raps, fanden sich auch noch ....
.... einfach ungesättigte Fettsäuren in den Kernen, wohl beleumundete Gesundmacher aus dem Olivenöl, die allerdings auch in Schweineschmalz reichlich vertreten sind.
Kein Fast Food
Zusätzlich bemüht man die immerwährende Weisheit von Mutter Natur: Da Hasel, Walnuss oder Pistazie für ihren Nachwuchs nur das Beste wollen, packen sie ihm selbstverständlich nur das Edelste mit in die Nussschale. Mit dieser prallen Fettfürsorge ermöglicht Mama Baum dem Keimling einen kick-start am Waldboden. Selbst an die Mörder ihrer Kinder, die Hersteller von Nuss-Schokolade, Nougat und Studentenfutter, denkt die milde Spenderin mit Wohlwollen und verschont ihre Gaben mit den üblichen Kampfmitteln wie Blausäure. Die wurden überflüssig, weil sie ihre Samen in einer harten Schale sicher eingepackt hat. Schließlich will es sich die Nussmutti ja nicht mit den fleißigen Eichhörnchen‑Spediteuren verscherzen, die ihre Nüsse vergraben und vergessen und so für den Nachwuchs des Baums sorgen.
Da es als ausgeschlossen gilt, dass Mutter Natur die putzigen Tierchen mit ungesundem Fast Food abspeist – Verpackung aufreißen und losfuttern, – darf jetzt auch der Mensch herzhaft zubeißen. Schließlich würde der Nusskonsum den Grundumsatz des Stoffwechsels erhöhen. Seither müssen die ungesättigten Fettsäuren der Nüsse die Wärmeproduktion des Körpers anregen, was die hitzigen Kalorien schnell verpuffen lässt.
Nicht zu vergessen: Nüsse machen pappsatt, so dass danach eh weniger gegessen würde. Und: Ein Teil werde gar vom Körper ungenutzt wieder ausgeschieden! So lässt sich das Produkt als „nicht zur Gewichtszunahme führend“ definieren – im Gegensatz zu Bratwürsten oder Sahnejoghurt. Merke: Verfettete Eichkater springen nicht weit. Dank der Nussdiät bleiben sie schlank und bekommen ein seidiges Fell.
Kopf-Nüsse
Die zahllosen Nuss-Vitalstoffe sorgen selbstverständlich dafür, dass der Nussfreund nur selten unter den handelsüblichen Zivilisationskrankheiten zu leiden hat,
angefangen vom Metabolischen Syndrom über Herz- Kreislauf- Krankheiten bis hin zur Macula-Degeneration, sprich Erblindung. Klar, blinde Eichkätzinnen leiden unter vorzeitiger Absturzgefahr. In der Liste der Vorteile fehlt eigentlich nur noch, dass Nüsse alkoholfrei sind und deshalb sogar von Kindern genossen werden dürfen.
Natürlich wollen ErnährungsberaterInnen Nüsse nicht uneingeschränkt freigeben, denn der Konsument darf nicht glauben, er könne einfach essen, was ihm schmeckt! Logischerweise wurden darum die leckersten Nuss-Zubereitungsformen auf den Index gestellt: Rösten würde die Antioxidantien zerstören, Salzen die Vorteile einer natriumarmen Pflanzenkost zunichte machen. Ob sie wohl gemerkt haben, dass damit Erdnüsse und Pistazien tabu sind?
Vor lauter Gesundheitslobhudelei und Fett-Umdeutung haben die Experten wohlweislich vergessen, vor den Gefahren der Nüsse zu warnen: der Allergenität und der manchmal beträchtlichen Belastung durch Schimmelpilzgifte.
Literatur
Zittlau J: Nüsse in der Prävention von Stoffwechselstörungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ernährung und Medizin 2010; 25: 123-126
Dineshkumar B et al: Nuts and seeds bioactive compounds and related nutraceutical properties. International Journal of Food Safety, Nutrition, Public Health and Technology 2010; 2: 1-8