Heidi Klum soll Ihre Kinder mit Geld bestechen, damit Sie ihre tägliche Obstration auch brav essen.1 Warum manche Kinder Obst mögen und andere nicht, darum geht es unter anderem in einem aktuellen Interview mit Udo Pollmer.
Interview: Hans Kantereit, erschienen in Effilee #25 Sommer 2013 S. 78-82
Wann immer in Sachen ›Ratschläge zur gesunden Ernährung‹ eine neue Sau durchs mediale Dorf getrieben wird, erscheint ein Mann, der dem Tross hinterherläuft, und vor dessen Warnungen warnt. Der Lebensmittelchemiker und Wissenschaftsjournalist Udo Pollmer plädiert vernehmlich für den sorglosen Genuss der Lebensmittel, auf die wir Lust haben, stellt den Zusammenhang zwischen Ernährung und Körpergewicht in Frage und hält die meisten Diäten für pure Gewalt von Frauen gegen Frauen.
H.K.: Herr Pollmer, Ihrer Ansicht nach sind die drei folgenden Aussagen kompletter Unfug: Vitamin C hilft bei Erkältungen, Salz ist ungesund und der Verzehr von Obst und Gemüse beugt Krebserkrankungen vor. Ist das Verhältnis zu Ihrem Hausarzt soweit okay?
U.P.: Zu welchem Hausarzt? (muss kräftig lachen)
Mein Haus braucht keinen Arzt und mir geht’s gut.
H.K.: Sie sind der Meinung, dass wir glücklicher, gesünder und genussvoller leben könnten, wenn wir uns von der Vorstellung verabschieden würden, es gäbe die gesunde Ernährung für alle, und Sie rufen zum Boykott der meisten Statistiken auf …
U.P.: … nicht zum Boykott, ich will ja nur, dass die Statistiken richtig gemacht werden. Statistik ist eigentlich...
...ein wunderbares Instrument, um Zusammenhänge sichtbar zu machen, um dann mit den Mitteln der Forschung den Ursachen auf den Grund zu gehen. In der Ernährungswissenschaft wird in einem kaum vorstellbaren Maße getürkt. Gerade hat John Ioannidis, ein namhafter Biostatistiker aus Harvard mal Hunderte von Studien zum Thema Krebsgefahr beziehungsweise Krebsschutz durch Nahrungsmittel analysiert. Ergebnis: so wertvoll wie ein gebrauchtes Kondom. Wir brauchen im Grunde nichts von dem zu glauben, was uns erzählt wird.
H.K.: Demnach könnte ich jetzt theoretisch im Dorf anrufen und eine Schlachtplatte plus eine Kiste Bier kommen lassen, ohne mir eine Rüge von Ihnen einzuhandeln?
U.P.: Warum sollte ich das rügen? Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Und die Neigungen der Individuen sind naturgemäß unterschiedlich. Je nachdem aus welchem Teil der Welt sie kommen, haben die Menschen unterschiedliche Vorstellungen von Ernährung. Eine traditionelle Eskimomahlzeit, wohlgemerkt eine Mahlzeit und nicht die Tagesration, sind locker fünf Kilo Robbenspeck. In den Tropen ist wiederum der Anteil der pflanzlichen Kost größer, einfach weil man leichter an nahrhafte Früchte kommt wie Bananen, Avocados, Kokosnüsse. Dass man sich in einem süddeutschen Dorf mit Appetit über Fleisch und Wurst hermacht, war dort eine biologische Notwendigkeit, einfach deshalb, weil sich das Voralpenland klimatisch für Weidewirtschaft und nicht für Ananaszucht eignet. Ich krieg hier regelmäßig Anrufe von FachjournalistInnen, die ein Statement von mir wollen, nach dem Motto der Vegetarier sei der klügste Zweibeiner überhaupt. Die ganzen Ernährungsbeiträge kommen doch mit der Attitüde daher ›Wer sich vegetarisch ernährt, ist etwas Besseres als die ganzen Arschlöcher die einer normalen Arbeit nachgehen und dafür Power brauchen‹. Wir sind allerdings erwiesenermaßen Säugetiere, also ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir das, was wir zum Leben benötigen, in schmackhaften Säugetieren vorfinden. Zumindest erheblich größer, als dass wir es in einer Staude am Wegesrand antreffen.
H.K.: Sie weisen in einem Ihrer Bücher auf die MONICA-Studie der WHO hin. In dieser Studie erreichten männliche Teilnehmer die höchste Lebenserwartung, wenn sie täglich den alkoholischen Gegenwert einer halben Flasche Wein verputzt haben. Erst bei einer ganzen Flasche – im medizinischen Sinne also bereits als Säufer – erreichten sie dieselbe (relativ) frühe Sterblichkeit wie Abstinenzler. In Frankreich könnte man mit so einer Aussage Staatspräsident werden. Hier ist sie mir in ihrem Buch zum ersten Mal begegnet. Gibt es bei uns so etwas wie eine Lobby der Spaßbremsen?
U.P.: Ja. Ich glaube, das hängt mit unserer protestantischen Vergangenheit zusammen. Es wird hinter jeder Freude eine schlimme Versuchung gesehen. Aus dieser Ecke kommen viele der aktuellen Warnungen. Es ist egal, was die Leute essen oder trinken, aber sobald sie dabei Vergnügen empfinden, ist es natürlich ungesund. Es ist noch nie etwas als ›gesund‹ bezeichnet worden, was die meisten Menschen gerne essen. Und noch nie etwas, was die meisten nicht leiden können und ›ungesund‹ wäre. Allein an der Tatsache, dass Kinder Brokkoli nicht mögen, wird erkannt, dass das gesund fürs Kind sein muss. Und sobald Kinder etwas kollektiv mögen, zum Beispiel Pizza, ist sie des Teufels. Diese verlogene Logik zielt darauf ab, die Menschen zu destabilisieren und ihnen Schuldgefühle anzuhängen. Der Appetit als moderne ›Erbsünde‹ der Evolution. Schuld ist ein böses Geschäft.
H.K.: Schuld?
U.P.: Der Körper fordert ein, was er braucht. Wäre es anders, gäbe es keine erfolgreiche Evolution. Und dieses Gefühl, das uns der Appetit vermittelt, ist so stark, dass es sich gegen den Kopf über kurz oder lang durchsetzt. Jede junge Frau, die eine fettarme Abnehmdiät macht, weiß, dass bei nahender Regel der gute Vorsatz in sich zusammenfällt. Dann wird eine Familienpackung Eiscreme verdrückt, damit die Fettbilanz wieder stimmt. Mit ein bisschen Grips würden die Menschen daraus lernen, dass Fett lebensnotwendig ist. Sie würden bei gehöriger Anspannung ihres Verstandes bemerken, dass der Körper durch die fettarme Philosophie nicht schlank, sondern immer dicker wird. Aber sie wollen immer wieder mit dem Kopf durch die Gummiwand.
H.K.: Was veranlasst die Ernährungsexperten, kollektiv fettarme Kost zu verordnen?
U.P.: Die Boshaftigkeit ist eine wesentliche Triebkraft. Wir haben bei keiner Ernährungsempfehlung, die die letzten dreißig Jahre verbreitet worden ist, einen belastbaren wissenschaftlichen Nachweis von irgendeinem wie auch immer gearteten Nettonutzen. Ernährungsberatung ist nebenbei bemerkt ein Treiben, das sich nur sehr bedingt an Männer wendet. Wenn Sie einem Mann sagen, er soll am Tag drei Liter trinken, hat es nicht denselben pädagogischen Wert, wie wenn man es zu einer Frau sagt. Der Mann kommt am Abend aus der Kneipe und sagt ›Alles klar Schatz, hab die drei Liter getrunken!‹, dann ist das Thema für ihn durch. Die Ernährungsberatung wird von Frauen ausgeübt und dient dazu, namentlich Frauen zu destabilisieren, ja sie fertigzumachen. Es ist Gewalt von Frauen gegen Frauen.
H.K.: Sie reden von vorsätzlicher Destabilisierung? Welchen Sinn soll die haben?
U.P.: Angefangen hat der Ernährungsberatungswahn mit dem Ziel, den Damen zu erklären, sie müssten magerer werden, weil sie dann schöner seien. Jetzt sehen wir aber seit fünfzig Jahren auf der ganzen Welt, dass sie davon nur fetter werden. Gibt es nicht ein gutes Gefühl, Konkurrentinnen zu eliminieren, indem ich ihnen einen Rat gebe, der sie unansehnlicher macht? Für den Fall aber, dass es tatsächlich zu einem ›Abschmelzen ihrer Fettpolster‹ kommt, sind fatalerweise die Reservefette der Frau als Erstes dran. Die Reservefette befinden sich in ihrem Busen und dem Po. Und es gibt offenbar nichts Erhebenderes, als wenn bei der Konkurrentin Busen und Po schlappmachen. Außerdem wissen die Urheber dieser Ratschläge sehr genau, dass man, wenn man sich fett- und kalorienarm ernährt, ziemlich bald unausstehlich wird. Hunger ist eine der stärksten Kräfte, um die Menschen reizbar zu machen. Damit kann man das Sozialsystem der betroffenen Frauen ruinieren.
H.K.: Fänden unsere Kinder das Prinzip Pizza abscheulich, schreiben Sie, dann würde man sie ihnen zwangsverabreichen?
U.P.: Genau! Dann gibt’s Schulungen! Die Ernährungspäpste würden Kochkurse fordern, um den Wert der Pizza zu preisen: wertvolles Getreide, das gute Olivenöl, der Käse mit seinem für die Knochen wichtigen Kalzium, es würde doziert, wie vorteilhaft die verschiedenen Beläge sind, Ananas, Gemüse, Sardellen, oder auch ein bisschen Schinken. Aber nein, die Kinder stehen auf Pizza, also ist sie des Teufels. So entstehen viele Ammenmärchen. Woher kommt zum Beispiel die Idee, dass Salz gefährlich ist? Wer mit Land- oder Forstwirtschaft zu tun hat, weiß, dass die Tiere mit Salzlecksteinen besser gedeihen und gesünder sind. Der Hang zum Salz ist uns allen angeboren, viele Wildtiere unternehmen dafür lange Wanderungen, offenbar lohnt der große Aufwand. Man kann auch nicht zu viel davon erwischen, weil jeder Salzüberschuss zu Durst führt, um es schnell wieder auszuschwemmen. Das Salzlecken verschafft, weil es biologisch sinnvoll ist, Befriedigung. Genau das war Anlass zu sagen, ›Oh Gott, eine Verlockung des Teufels‹. Einer der namhaften Täter auf diesem Gebiet war der Arzt und Gesundheitsapostel Bircher-Benner. Der hat damals, zusammen mit Kollegen in der Schweiz, dort, wo die Calvinisten und Zwinglianer ihr Unwesen trieben, versucht, den Teufel aufzustöbern. Wenn man den in flagranti erwischt und austreibt, bleibt die Menschheit gesund. Irgendwann hat Bircher-Benner mit Kollegen Tabak gegen Salz getestet. Da hat er doch glatt herausgefunden, dass man auf Salz weniger leicht verzichten kann als auf Tabak. Das will was heißen, denn Bircher-Benner war Kettenraucher. Aus dieser Erfahrung hat er dann geschlossen, dass Salz ein schlimmeres Teufelswerk sein muss als Tabak. Dann hat er zur Untermauerung seine These noch geschaut, ob es ein Völkchen gibt, das ohne Salz auskommt. Das fand er in der Arktis. Die Eskimos fischen ihr Essen aus dem Salzwasser, die brauchen keinen Salzstreuer. Er hätte das Salz auch gegen das Atmen testen können, dann hätte er herausgefunden, dass Atmen noch eine viel gefährlichere Verlockung ist, weil der Verzicht aufs Atmen noch schwerer fällt als das Mümmeln salzloser Kost.
H.K.: Millionen von Frühstückseiern atmen jetzt dankbar auf. Und ein paar Millionen Leser interessiert sich bestimmt für eine andere These von Ihnen: Ein gesunder Erwachsener mit Übergewicht, der von seinem Hausarzt den Rat bekommt, mit einer Diät dagegen anzugehen, darf ihm den Vogel zeigen und einen Eisbecher essen gehen?
U.P.: Auf Wunsch gern mit Sahne. ›Übergewicht‹ ist ein dubioser Begriff, so wie ›Überintelligenz‹. Wenn ich Körperhöhe und Körpergewicht ins Verhältnis setze, um mit einer beliebigen Formel eine Zahl zu generieren, um auf einer Skala von fünfzehn bis fünfzig die gesundheitliche Zukunft eines Menschen vorauszusagen, bin ich entweder bescheuert oder skrupellos. Auf jeden Fall befinde ich mich jenseits des wissenschaftlichen Weltbildes. Der BMI ist etwa so, wie wenn ich versuchen würde, aus Schädelumfang und Körpergröße den Intelligenzquotienten einer Ernährungsberaterin zu berechnen. Alle gesunden Menschen über dreißig haben einen erhöhten BMI, und das gehört zur biologischen Entwicklung, zum Älterwerden. Das Körpergewicht hat herzlich wenig mit den Essgewohnheiten zu tun. Das ist eine der magischen Vorstellungen unserer Gesellschaft.
H.K.: Das ist Ihr Ernst?
U.P.: Zunächst: Wir brauchen die meiste Energie nicht für die ›Bewegung‹, sondern fürs Heizen. Der Mensch ist bekanntlich siebenunddreißig Grad warm. Ein System Tag und Nacht auf dieser Temperatur zu halten, kostet verdammt viel Energie. Deshalb essen wir. Kalorien sind nicht umsonst eine Energieeinheit für Wärme. Wenn jemand schlaksig ist, mit wenig Unterhautfettgewebe, also auch schlecht isoliert, dann hat der natürlich hohe Wärmeverluste und damit einen hohen Energiebedarf. Der muss den ganzen Tag futtern, damit er heizen kann. Wenn jetzt einer auf die komische Idee kommt, eine Diät zu machen, dann kompensiert der Körper den Energiemangel, indem er die Wärmeabgabe vermindert. Das heißt, er bremst die Durchblutung der Extremitäten. Das Ergebnis sind kalte Füße und kalte Hände, Arme und Beine. So gleicht der Körper das, was beim Essen gespart wurde, mehr als aus und kann nun die Überschüsse nutzen, um die Isolation zu verbessern. Da wir hier in einer kalten Region leben, muss vor allem der Bauch gut isoliert werden, denn darinnen befinden sich die Organe. Vor allem Menschen, die zur Korpulenz neigen, also Pykniker, können diesen Speck recht schnell anlegen. Der Hagere kann das nicht. Er kann mal geringfügig etwas zulegen, aber wenn er unter Druck gerät, dann nimmt er wieder ab. Der Korpulente nimmt unter Druck zu. Und wenn er mal loslässt, zum Beispiel einen entspannten Urlaub macht, dann nimmt er ab, egal, wie viel er isst.
H.K.: Wie erklärt sich das?
U.P.: Es gibt mehrere Regulationssysteme. Eines davon ist das Cortisol, ein Stresshormon. Wenn jemand das dem Cortisol praktisch identische Cortison zu sich nimmt, bekommt er einen fetten Bauch und riskiert Diabetes, Herzinfarkt, kaputte Gelenke und ähnliche Folgeerkrankungen. Wenn ich nun ständig unter Druck bin, dann habe ich auch diese erhöhte Cortisolproduktion, und das ist der Grund, weswegen gerade mit dem Bauchspeck verschiedene Krankheiten wie zum Beispiel Infarkt korrelieren. Das heißt aber nicht, dass sie vom Speck herrühren, das ist Unsinn, sondern weil alles eine gemeinsame Ursache hat: Ärger, Wut, Verzweiflung. Um diese aberwitzigen Ideen zum Übergewicht ein wenig zu relativieren: Wenn jemand Fieber hat, dann sagen wir ja auch nicht: Du hast Übertemperatur, deswegen haben wir schon den Kühlraum frei gemacht. Damit würden wir ihn umbringen. Nein, der Fiebernde wird untersucht und bekommt dann, zum Beispiel, die Diagnose Lungenentzündung. Die wird spezifisch behandelt. Auch stark Übergewichtige brauchen keine Diät sondern eine Differenzialdiagnose.
H.K.: Sie haben die Empfehlung der Ernährungsberater geprüft, man solle fünfmal am Tag eine Portion Obst oder Gemüse essen. Ihr Ergebnis: Die Empfehlung sei so essenziell für ein gesundes Leben wie die Behauptung ›Wer fünfmal am Tag in eine Bratwurst beißt, ist vor Geschlechtskrankheiten geschützt‹. Der einzige Effekt solcher Behauptungen sei, dass die Menschen weiter essen wie bisher, allerdings mit schlechtem Gewissen. Hört man auch da die Empfehlung heraus, auf solcherlei Ratschläge einfach nicht mehr zu hören?
U.P.: Ja. Viele Menschen essen mit schlechtem Gewissen, ja mit Angst. Immer mehr versuchen, ihrem eigenen Appetit Mores zu lehren in der Hoffnung, mit einem längeren Leben belohnt zu werden. Nach Beginn der Fünf-am-Tag-Kampagne hat es nur vier bis sechs Wochen gedauert und die Praxen der Gastroenterologen füllten sich mit den Opfern dieser Empfehlung. Auch als sie davon krank wurden, hatten sie nicht genügend Arsch im Schlüpfer zu sagen, okay, dann verzichte ich wieder darauf. Auch hier trifft es primär die Frauen. Viele machen es dann erst recht, weil sie glauben, die Beschwerden lägen an der mangelnden Konsequenz. Solange das Ärzte mit sich selbst machen (was sie natürlich nicht tun), ist mir das wurscht. Aber wir zerstören mit solchen Kampagnen systematisch die seelische und körperliche Integrität von vor allem jungen Frauen und Kindern. Damit wir uns recht verstehen: Ich hab nichts dagegen, wenn man Ratschläge erteilt. Ein solches Treiben setzt aber voraus, dass man sich vorher der Frage gestellt hat, können die Ratschläge auch schaden, was sind die Nebenwirkungen und wie groß sind die Erfolgsaussichten?
Es sind unglaubliche Dinge am Start: Die Deutschen haben sich zwanzig Jahre lang erzählen lassen, Kaffee sei ein Flüssigkeitsräuber. Um das zu glauben, muss man aber wirklich schon den passenden Geisteszustand mitbringen. Mit einer polnischen Putzfrau klappt das nicht. Die weiß, wenn sie Kaffee trinken will, muss sie vorher Wasser aufsetzen. Und wenn die Kanne leer ist, dann hat sie eine Kanne Wasser getrunken. Wenn ihr dann Gesundheitsexperten erzählen, sie hätte sich gerade Flüssigkeit geklaut, dann zweifelt sie am Verstand ihres Gegenübers. Abgesehen davon gehen pauschal erteilte Ratschläge immer ins Auge. Der Stoffwechsel der Menschen unterscheidet sich, wir sind genetisch viel unterschiedlicher, als viele glauben.
H.K.: Haben Sie ein Beispiel?
U.P.: Viele Mütter versuchen ihren Kindern Obst einzuflößen. Das eine Kind freut sich über saure Beeren im Jogurt und will das jeden Tag. Das andere isst höchstens eine halbe Banane pro Woche. Die eine Mutter ist begeistert über ihr kluges Kind, die andere verzweifelt, weil das Gör nicht hören will. Das ganze Obst-Theater könnten die sich ersparen, wenn sie, anstatt sich grenzwertige Gesundheitssendungen anzukucken, mal ihre eigene Birne einschalten würden. Das Verhältnis eines Kindes zu Obst hängt primär mit seiner Magensäure zusammen. Ein Kind, das sehr wenig Säure produziert, braucht die sauren Sachen, um in der Frühe in Schwung zu kommen. Und einem Kind, das viel Magensäure produziert, würde dieses Beerenzeug ein Loch in den Magen brennen, es lehnt das Zeug also vollkommen zu Recht ab. Ein Bundesverband der Schuster verfügt doch auch über genügend Fachwissen und Verantwortungsgefühl, um uns nicht mit dem Ratschlag zu kommen, wir sollten alle Schuhgröße zweiunddreißig oder so tragen. Denn man habe festgestellt, dass diese Schuhgröße mit einer besseren Fußgesundheit korreliert als Größe fünfundvierzig.
H.K.: Sie sagen, jemand, der seine Ernährung ausschließlich der vermeintlichen Gesunderhaltung des Körpers widmet, handelt genauso lebensfeindlich wie jemand, der Sex nur aus orthopädischer Sicht betreibt und darauf achtet, seine Wirbelsäule zu entlasten. Diese Formulierung wollte ich nicht hinterfragen, sondern abschließend nur ausdrücklich dazu gratulieren.
U.P.: (Lacht) Ja. Es ist schon fatal, mit welcher Konsequenz die Menschen sich aufgrund falscher Ratschläge ihr Leben kaputt machen. Und im Grunde einfach nur zum Heulen.
1. http://www.gala.de/lifestyle/gourmet/heidi-klum-teurer-trick_923317.html